Insolvenzen und Schwarzarbeit: Wer ehrlich arbeitet, ist der Dumme?
In Deutschland hagelt es fast täglich Insolvenzmeldungen. Immer mehr große und auch kleinere Firmen gehen pleite. Deutschland steckt seit zwei Jahren in der Rezession und eine Besserung ist nicht in Sicht. Gleichzeitig explodiert die Schwarzarbeit in Deutschland. Dieser Markt boomt. Beides hängt zusammen. Und es ist eine ganz klare Botschaft an die Wirtschafts- und Sozialpolitik in unserem Land.
Im Oktober stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um 22,9 Prozent zum Vorjahresmonat, laut den Zahlen vom Statistische Bundesamt. Damit liegt die Zuwachsrate seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich - mit Ausnahme des Juni 2024 (plus 6,3 Prozent). In diesem Jahr sei mit deutlich mehr als 20.000 Firmenpleiten zu rechnen so das Statistische Bundesamt, denn die aktuellen Zahlen geben den Stand von vor einigen Monaten an, weil Insolvenzverfahren erst offiziell eröffnet sein müssen, bevor sie in die Statistik einfließen.
Tausende Pleiten
Experten hatten nach dem Auslaufen der Corona-Sonderregelungen mit einem Anstieg der Firmenpleiten in Deutschland auf etwa 20.000 Fälle im laufenden Jahr gerechnet. Im Gesamtjahr 2023 hatte das Statistische Bundesamt 17.814 Firmenpleiten gezählt. Im Zeitraum Januar bis einschließlich August des laufenden Jahres meldeten die Amtsgerichte14.403 Unternehmensinsolvenzen. Das waren knapp ein Viertel (rund 23 Prozent) mehr als im Vorjahreszeitraum. Allein im August gab es 1.764 Fälle und damit 13,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Anteil der Betriebe, die akut um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten, stieg derweil im Oktober laut ifo Institut auf 7,3 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es noch 6,8 Prozent. Die Firmenpleiten dürften also auf hohem Niveau weitergehen. Das letzte mal, dass die Firmenpleiten die 20.000 Marke überschritten hatten war 2017.
Auch in den Jahren zuvor hatte es immer wieder Insolvenzen gegeben. Grundsätzlich schwanken die Insolvenz-Zahlen, denn sie sind eng an die wirtschaftliche Lage und die Konjunktur gekoppelt. Allerdings nicht komplett parallel. Meistens setzen Insolvenzwellen immer erst mit einiger Verspätung nach dem Beginn von Rezessionen ein. Der Grund: Selbst wenn es in der Wirtschaft schlecht läuft, haben die Unternehmen noch finanzielle Polster. Die halten eine Weile, sind aber irgendwann auch aufgebraucht. Und dann ist die Zahlungsunfähigkeit da, also die Insolvenz.
Daneben gibt es auch immer wieder spektakuläre einzelne Insolvenzfälle, die nichts mit der Konjunktur zu tun haben, sondern meistens mit schlechtem Management oder mit riskanten Investitionen. Spitzenreiter bei den Insolvenzen in Deutschland in Bezug auf die Arbeitsplätze, die verloren gegangen sind, ist der Konzern Arcandor. Der Handelskonzern hatte 650 Millionen Euro Schulden und 86.000 Mitarbeiter verloren ihren Job. Die zweitgrößte Insolvenz war die von Schlecker. Hier verloren 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Supermarktkette ihren Job. Bei Galeria Kaufhof standen durch die Insolvenz insgesamt 28.000 Menschen auf der Straße. Die Insolvenz des Baukonzerns Holzmann kostete 24.000 Menschen ihren Arbeitsplatz.
Bei der Insolvenz von Schlecker verloren 35.000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz.
Merkel und Scholz: Schöpfer der Pleitewelle
Die aktuelle Insolvenzwelle hat mehrere Gründe und die haben alle mit der wirtschaftlichen Lage und der Politik der letzten Jahre zu tun. Viele von den Unternehmen, die jetzt Insolvenz anmelden müssen, wären wohl schon vor längerer Zeit pleite gegangen. Die großzügigen Corona-Hilfen während der Pandemie haben viele marode Unternehmen noch einige Zeit über Wasser gehalten. Genau das war ja auch seinerzeit immer eine große Kritik an der Corona-Politik in Bezug auf die Wirtschaft. Die Regierung unter Angela Merkel ordnete einen Lockdown an und versuchte dann die Folgen dieses Stillstands in der Wirtschaft mit viel Staatsgeld wieder aufzufangen. Was wir jetzt sehen, ist also auch ein Erbe der Merkel-Politik, die ironischerweise passend dazu gerade ihre Memoiren veröffentlicht, in denen sie beschreibt, wie großartig ihre Politik gewesen sei. Letztlich haben wir hier sogar einen doppelten wirtschaftlichen Verlust. Einmal, weil die Unternehmen und die Arbeitsplätze weg sind. Und die Millionen und Milliarden an Coronahilfen, die seinerzeit gezahlt worden sind, sind natürlich auch weg.
Politik der Nullzinsen
Ein weiterer Grund ist die Politik der Nullzinsen in den 2010er Jahren, die bis zum Beginn der Inflation 2022 in Deutschland und in Europa herrschte. Da Unternehmen praktisch keine Zinsen auf Kredite zahlen mussten, konnten sie sich billig verschulden und haben das auch im großen Umfang getan. Das Geld gab es praktisch geschenkt, denn normalerweise fallen auf Kredite immer Zinsen an. Da 2022 die Inflation steil angestiegen ist, musste die Europäische Zentralbank dagegenhalten. Deswegen wurden die Zinsen kräftig erhöht. Hohe Zinsen sind eine Bremse für die Inflation, sie wirken allerdings nur über einen längeren Zeitraum. Für die Unternehmen, die sich billig verschuldet hatten, stiegen also die Kosten für ihre Kredite drastisch an. Und damit auch die Raten für die Rückzahlung. Damit hatten viele nicht gerechnet. Die Kosten für Unternehmen sind also gestieben, ohne dass sie in dem Sinne etwas dafür konnten. Auch wenn die Europäische Zentralbank angekündigt hat, die Zinsen senken zu wollen, werden sie wohl noch eine ganze Weile hoch bleiben.
Und das bedeutet auf absehbare Zeit eine hohe Belastung für Unternehmen. Das können viele schlicht und einfach nicht mehr tragen. Hinzu kommt jetzt auch noch die Rezession im zweiten Jahr in Folge in Deutschland. Das bedeutet, dass die Nachfrage für viele Unternehmen weggebrochen ist. Auch wenn Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck behauptet, eine Insolvenz sei nicht so schlimm, weil Unternehmen dann einfach weniger produzieren müssten und danach einfach weiterarbeiten könnten, sehen wir jetzt in der Realität, dass diese „Habeck-Ökonomie“ schlicht und einfach Unsinn ist. Wie so vieles andere auch.
Wenn Aufträge weg brechen, fehlen Einnahmen, die Kosten laufen weiter, die Kassen werden leerer und irgendwann kommt die Zahlungsunfähigkeit. Genau das ist jetzt der Fall. Und die Kosten laufen nicht nur weiter, sondern sie steigen auch noch. Denn vor allen Dingen teure Energie bricht vielen Unternehmen das Genick. Diese teure Energie haben wir der grünen Wirtschafts- und Klimawende-Politik zu verdanken. So sieht das grüne Wirtschaftswunder in der Realität aus. Und als ob das noch nicht genug wäre, leiden Unternehmen unter ständig steigenden Bürokratieaufwand. Weil sich die deutsche Regierung und auch die Europäische Union immer neue Auflagen und Vorschriften ausdenken, müssen immer mehr Menschen in Unternehmen ihre wertvolle Arbeitszeit für diesen bürokratischen Wahnsinn aufwenden. Auch das bedeutet: Steigende Kosten und gleichzeitig keinerlei Einnahmen dafür. Das alles sind die Resultate der Politik von Merkel und von Scholz.
Deutschland in der Rezession – Schwarzarbeit boomt
Gleichzeitig boomt in Deutschland die Schwarzarbeit. Und zwar ordentlich. Die Schwarzarbeit, im offiziellen Sprachgebrauch Schattenwirtschaft genannt, steigt seit 2021 nicht nur kontinuierlich an, sondern mit zunehmenden Tempo. Zur Erinnerung: 2021 war die letzte Bundestagswahl, danach gab es viele Gesetze für „Gute Arbeit“ vor allem aus dem SPD geführten Arbeits- und Sozialministerium von Hubertus Heil mit freundlicher grüner Unterstützung von Familienministerin Paus und Wirtschaftsminister Habeck. 2021 hatte die Schattenwirtschaft in Deutschland ein Volumen von 338 Milliarden Euro. 2022 waren es schon 383 Milliarden, 2023 waren es 443 Milliarden Euro und für 2024 werden 481 Milliarden erwartet. Das sind also mal eben fast 150 Milliarden Euro Plus in der Schwarzarbeit in gerade mal drei Jahren! Damit macht die Schattenwirtschaft in Deutschland mittlerweile rund 10 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.
Eine neue Studie der Freien Universität Berlin zum Thema Schwarzarbeit, die vor wenigen Wochen im Wirtschaftsdienst veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis: „Empirische Befunde weisen darauf hin, dass Schwarzarbeit in Deutschland in erheblichem Umfang existiert.“ Die Studie geht davon aus, dass „das Ausmaß von Schwarzarbeit jedoch systematisch unterschätzt“ werde. Grund: Die Fälle an Schwarzarbeit, die in die Statistik einfließen, sind die bekannten oder gemeldeten Fälle - und das sind ganz sicher nicht alle Tätigkeiten, die auf dem Markt der Schwarzarbeit in Deutschland stattfinden. Insofern dürfte der Umfang noch höher als 10 Prozent sein. Damit sind wir in Deutschland in der Realität auf dem Weg zu „italienischen Verhältnissen“, wo der Umfang des Schwarzmarktes rund 20 Prozent beträgt. Es gab einmal Zeiten, da hat man sich in Deutschland über diese italienischen Verhältnisse lustig gemacht. Jetzt sind wir wohl selber ziemlich nah dran. Zum Vergleich: Bei unseren Nachbarn in der Schweiz umfasst der Schwarzmarkt nur sechs Prozent der Gesamtwirtschaft.
Ein typisches Beispiel für Schwarzarbeit: Die Baustelle
Die Gründe für die Schwarzarbeit
Für den Schwarzarbeitsboom gibt es verschiedene Gründe. Ein wichtiger Grund hängt mit den oben genannten Firmeninsolvenzen zusammen. Wenn das Land insgesamt in die Rezession rutscht und immer mehr Firmen Arbeitsplätze abbauen, dann suchen sich die Leute eben andere Möglichkeiten, ihr Geld zu verdienen. Viele Leistungen werden dann unter der Hand angeboten und nach dem Motto "Bares ist Wahres" abgewickelt. Aber es sind nicht nur Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, die den Schwarzmarkt am Laufen halten. Viele verdienen sich auch einfach etwas dazu. Weil die Inflation in den letzten Jahren ordentlich gestiegen ist, ist das Leben teurer. Die Löhne haben aber in der Breite noch nicht nachgezogen, denn die Unternehmen können sich wegen der anderen hohen Kosten eben nicht auch noch gestiegene Löhne leisten.
Deswegen arbeiten viele Menschen noch in den Abendstunden oder am Wochenende privat und auf eigene Tasche. Entsprechend kommt die Berliner Studie zur Schwarzarbeit auch zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt fast jeder vierte in Befragungen angibt, „jemanden zu kennen, der oder die schwarz arbeitet“.
Ein weiterer Grund für den Boom der Schwarzarbeit ist das Bürgergeld. Da sind sich im Grunde alle Fachleute einig, wobei die einen das direkter sagen, die anderen eher verklausuliert in blumigen Worten. Eigentlich hätte es dafür auch keine großen wissenschaftlichen Untersuchungen bedurft, sondern ein Blick auf die Schwarzarbeit Statistik wie oben beschrieben reicht aus. Es ist sicherlich kein Zufall, dass mit der Einführung des Bürgergeldes auch der Umfang der Schwarzarbeit steil nach oben geht. Die Zahl der Bürgergeld-Haushalte mit Schwarzarbeit steige an, „weil der Anreiz, durch die Aufnahme einer (legalen) Erwerbstätigkeit den Bezug von Bürgergeld zu beenden, durch das höhere Bürgergeld geringer wird“, gab der Wirtschaftsprofessor und Schwarzarbeit-Experte Friedrich Schneider kürzlich in der Welt zu Protokoll.
Bedeutet also im Klartext: Der Anstieg des Bürgergeldes begünstigt sogar noch die Schwarzarbeit! Wer Bürgergeld bezieht und dazu noch schwarz arbeitet, verdient am Ende deutlich mehr, als wenn er oder sie arbeiten gehen würde. Bemerkenswert ist hier, dass jeder zweite Bürgergeld Empfänger gar nicht deutscher Staatsbürger ist. Ein Teil von diesen Bürgergeld Empfängern "mit Migrationshintergrund" könnte durchaus in Deutschland legal arbeiten. Aber viele dieser zugewanderten Menschen dürfen in Deutschland auch gar nicht arbeiten, weil sie zumindest offiziell nur geduldete Flüchtlinge sind. Das bedeutet, sie können auch gar keine legale Arbeit aufnehmen. Damit werden die Geschichten von Sozialdemokraten und Grünen vollends absurd, die bis heute felsenfest behaupten, das Bürgergeld hätte überhaupt keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt und die Schwarzarbeit. Was der gesunde Menschenverstand schon vorher jedem gesagt hat, der oder die täglich arbeiten geht, das zeigen jetzt auch die offiziellen Statistiken.
Und die Moral von der Geschichte?
Die nach oben schießende Zahl der Insolvenzen in Deutschland und die ebenfalls nach oben schießenden Zahlen zur Schwarzarbeit in Deutschland sprechen eine klare Sprache. Und sie sind eine sehr klare Botschaft. Diese Botschaft lautet: Wer unter den gegebenen Umständen in Deutschland versucht, ehrlich zu wirtschaften und zu arbeiten, der ist der Dumme. Für Firmen bedeutet das, dass sie entweder pleite gehen oder schnellstmöglich versuchen, aus Deutschland wegzukommen und anderswo ihre Standorte aufzubauen. Und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland bedeutet das, dass sie sich andere und zusätzliche Einkommensquellen erschließen, weil sich Arbeiten, und erst recht mehr Arbeiten, unter den aktuellen Umständen nicht lohnt. Die Menschen in Deutschland, vom Bürgergeld-Empfänger und einfachem Arbeiter ganz unten bis in die Chefetagen der Firmen ganz oben, haben das erkannt. In den Chefetagen unserer Regierung ist diese Erkenntnis nicht angekommen. Und es sieht auch nicht danach aus, dass sich das ändert.
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Andreas Moring ist Wirtschaftsprofessor und langjähriger Unternehmer in der Digitalwirtschaft aus Hamburg